Internet aus der Steckdose vor dem Aus?
Wie das Handelsblatt kürzlich berichtete, hat sich der RWE-Partner Eon aus dem Geschäft mit dem Datenstrom aus dem Stromkabel zurückgezogen. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll auch EnBW mit dem Ausstieg aus dem Investitionsfriedhof Powerline liebäugeln. Nun, da sich alle zurückziehen, spekuliert man hier und da bereits auf das Aus für die innovative Technik.
Beobachter berichten, dass es technische Probleme bei der Umsetzung gibt, welche den Konzernen, allen voran Ascom, die für RWE eigens für diese Technik entwickelte Modems bereitstellen, Schwierigkeiten bereiten sollen. Allerdings sollte man zum gegenwärtigen Zeitpunkt diesen Gerüchte durchaus mit Skepsis begegnen. Schließlich ist die Technik bereits seit langem über die Laborphase hinaus. Nicht neu ist hingegen der Verdacht, dass die Abschirmung von Stromkabeln im Allgemeinen nicht mit der eines Telefonkabels vergleichbar ist. Ob und inwieweit dies jedoch in der Praxis zu Schwierigkeiten führen könnte ist reine Spekulation.
Interessanterweise ist - wenn sie unsere Berichte bisher verfolgt haben - alles so gekommen wie erwartet. RWE konnte mit seiner restriktiven Verkaufspolitik keinen ausreichenden Verbreitungsgrad erreichen, denn wie erwartet haben die meisten Stadtwerke und Energieversorger dankend abgelehnt. Zudem fehlt es dem Konzern allein am nötigen Kapital. Powerline ist auch nicht billiger oder schneller als DSL. RWE ist im Vergleich zu T-Online ein Neuling ohne großen Namen und, was noch viel schlimmer ist, ohne eigene Verkaufsstruktur. Es mangelt an Niederlassungen.
Trotz aller Spekulationen, wenn ich in der derzeitigen Situation eine Prognose abgeben sollte würde ich sagen: Powerline wird kommen - und das Internet aus der Steckdose wird untergehen.
Zunächst ist das Internet aus der Steckdose
gar nicht überall verfügbar. RWE ist als Neuling außerdem auch nicht
gerade ein Garant dafür, dass das Angebot auch in ein paar Jahren noch
existiert. Und gerade deswegen: warum sollte ein Kunde beim Thema Internet
geschweige denn bei einem privaten Netzwerk ausgerechnet an seinen
Stromanbieter gekettet werden wollen. Die Technik, die einmal erworben wurde
funktioniert schließlich anders als bei DSL nur mit RWE, da es bisher kaum
alternative Anbieter gibt.
RWE wirbt damit, dass mit Powerline das vernetzen von PCs besonders einfach
wird, da keine Kabel mehr benötigt werden. Aber eben das macht die Technik für Firmen gänzlich ungeeignet. Warum? Mit
großem Aufwand werden in der Praxis Leitungen gegen unbefugten Zugriff gesichert und Serverräume errichtet, die bei größeren Firmen
wahren Festungen gleichen.
Dies soll gewährleisten, dass nicht jeder x-beliebige Mensch von der Strasse mit einem Laptop an einer ruhigen Stelle Zugang zu sensiblen Daten im Intranet bekommt. RWE bietet nun dieser Klientel an, eben dieses Intranet frei zugänglich an jede Haussteckdose zu legen. Ein Gedanke jedoch, der jedem Administrator graue Haare wachsen lassen dürfte.
Powerline ist mindestens 5 Jahre zu früh auf den Markt
gekommen. Grundlage dafür, dass Powerline ein Erfolg wird ist der Einsatz
der Digitaltechnik. Die Umstellung hat aber gerade erst begonnen... Warum
das so wichtig ist, wird leicht deutlich, wenn man sich die Eigenschaften
von digitalen Angeboten vor Augen führt. Digitalfernsehen, Radio usw.
lassen sich anders als analoge Programme unabhängig vom Anbieter natürlich
auch über eine Breitbandleitung - also insbesondere auch über Powerline
übertragen. Anders als beim Internet spielt bei diesen Endgeräten der
Faktor der einfachen Vernetzung aber eine wesentlich wichtigere Rolle. Denn
digitale Angebote lassen sich anders als analoge langfristig auch auf jedem
anderen Haushaltsgerät verfügbar machen.
Hier ist für DSL und Co. das Ende der Fahnenstange erreicht. Auch auf Dauer
werden Daten mit hoher Bandbreite sicher weiterhin über das Telefonkabel
den Kunden erreichen. Allerdings ist es absehbar, dass in einigen Jahren
digitale Zusatzangebote hinzukommen werden, die das Netz aus der Steckdose
attraktiver machen. Diese Geräte werden zunehmend mehr leisten können,
allerdings nach kurzer Zeit genauso viel kosten wie die herkömmlichen
Varianten. Dies ist aber nur dann möglich, wenn ein Hauscomputer mit Modem
zur Verfügung steht, über den sich solche Endgeräte auch gleichzeitig und
dauerhaft im Netz bewegen können. Die Set-Top Boxen, welche es heute zu
kaufen gibt können zwar noch nicht, könnten aber bereits in absehbarer
Zeit eine solche Funktion übernehmen.
Möglich machen kann das nach bisheriger Erkenntnis aber nur ein permanenter
Zugang zum Internet über das Stromkabel und zwar zum Festpreis - eben das,
was Powerline bereits jetzt darstellt.
Die theoretischen Möglichkeiten im Bereich der Digitaltechnik sind in der
Tat so verlockend, dass zu erwarten ist, dass die Umsetzung
in den nächsten Jahren auf dem Fuß folgen wird.
Die Frage ist nur: zu spät für Powerline und RWE?
(ac/tom) Diskussion