weitere Artikel zu Powerline:
  1. Herbst 2000
  2. Frühjahr 2001
  3. November 2001
  4. Januar 2002

Internet aus der Steckdose vor dem Aus?

Wie das Handelsblatt kürzlich berichtete, hat sich der RWE-Partner Eon aus dem Geschäft mit dem Datenstrom aus dem Stromkabel zurückgezogen. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll auch EnBW mit dem Ausstieg aus dem Investitionsfriedhof Powerline liebäugeln. Nun, da sich alle zurückziehen, spekuliert man hier und da bereits auf das Aus für die innovative Technik.

Vielen Dank an Christian, für die Hilfe bei der Erstellung dieses Artikels.

Beobachter berichten, dass es technische Probleme bei der Umsetzung gibt, welche den Konzernen, allen voran Ascom, die für RWE eigens für diese Technik entwickelte Modems bereitstellen, Schwierigkeiten bereiten sollen. Allerdings sollte man zum gegenwärtigen Zeitpunkt diesen Gerüchte durchaus mit Skepsis begegnen. Schließlich ist die Technik bereits seit langem über die Laborphase hinaus. Nicht neu ist hingegen der Verdacht, dass die Abschirmung von Stromkabeln im Allgemeinen nicht mit der eines Telefonkabels vergleichbar ist. Ob und inwieweit dies jedoch in der Praxis zu Schwierigkeiten führen könnte ist reine Spekulation.

Interessanterweise ist - wenn sie unsere Berichte bisher verfolgt haben - alles so gekommen wie erwartet. RWE konnte mit seiner restriktiven Verkaufspolitik keinen ausreichenden Verbreitungsgrad erreichen, denn wie erwartet haben die meisten Stadtwerke und Energieversorger dankend abgelehnt. Zudem fehlt es dem Konzern allein am nötigen Kapital. Powerline ist auch nicht billiger oder schneller als DSL. RWE ist im Vergleich zu T-Online ein Neuling ohne großen Namen und, was noch viel schlimmer ist, ohne eigene Verkaufsstruktur. Es mangelt an Niederlassungen.

Trotz aller Spekulationen, wenn ich in der derzeitigen Situation eine Prognose abgeben sollte würde ich sagen: Powerline wird kommen - und das Internet aus der Steckdose wird untergehen.

Zunächst ist das Internet aus der Steckdose gar nicht überall verfügbar. RWE ist als Neuling außerdem auch nicht gerade ein Garant dafür, dass das Angebot auch in ein paar Jahren noch existiert. Und gerade deswegen: warum sollte ein Kunde beim Thema Internet geschweige denn bei einem privaten Netzwerk ausgerechnet an seinen Stromanbieter gekettet werden wollen. Die Technik, die einmal erworben wurde funktioniert schließlich anders als bei DSL nur mit RWE, da es bisher kaum alternative Anbieter gibt.
RWE wirbt damit, dass mit Powerline das vernetzen von PCs besonders einfach wird, da keine Kabel mehr benötigt werden. Aber eben das macht die Technik für Firmen gänzlich ungeeignet. Warum? Mit großem Aufwand werden in der Praxis Leitungen gegen unbefugten Zugriff gesichert und Serverräume errichtet, die bei größeren Firmen wahren Festungen gleichen.

Dies soll gewährleisten, dass nicht jeder x-beliebige Mensch von der Strasse mit einem Laptop an einer ruhigen Stelle Zugang zu sensiblen Daten im Intranet bekommt. RWE bietet nun dieser Klientel an, eben dieses Intranet frei zugänglich an jede Haussteckdose zu legen. Ein Gedanke jedoch, der jedem Administrator graue Haare wachsen lassen dürfte.

Powerline ist mindestens 5 Jahre zu früh auf den Markt gekommen. Grundlage dafür, dass Powerline ein Erfolg wird ist der Einsatz der Digitaltechnik. Die Umstellung hat aber gerade erst begonnen... Warum das so wichtig ist, wird leicht deutlich, wenn man sich die Eigenschaften von digitalen Angeboten vor Augen führt. Digitalfernsehen, Radio usw. lassen sich anders als analoge Programme unabhängig vom Anbieter natürlich auch über eine Breitbandleitung - also insbesondere auch über Powerline übertragen. Anders als beim Internet spielt bei diesen Endgeräten der Faktor der einfachen Vernetzung aber eine wesentlich wichtigere Rolle. Denn digitale Angebote lassen sich anders als analoge langfristig auch auf jedem anderen Haushaltsgerät verfügbar machen.
Hier ist für DSL und Co. das Ende der Fahnenstange erreicht. Auch auf Dauer werden Daten mit hoher Bandbreite sicher weiterhin über das Telefonkabel den Kunden erreichen. Allerdings ist es absehbar, dass in einigen Jahren digitale Zusatzangebote hinzukommen werden, die das Netz aus der Steckdose attraktiver machen. Diese Geräte werden zunehmend mehr leisten können, allerdings nach kurzer Zeit genauso viel kosten wie die herkömmlichen Varianten. Dies ist aber nur dann möglich, wenn ein Hauscomputer mit Modem zur Verfügung steht, über den sich solche Endgeräte auch gleichzeitig und dauerhaft im Netz bewegen können. Die Set-Top Boxen, welche es heute zu kaufen gibt können zwar noch nicht, könnten aber bereits in absehbarer Zeit eine solche Funktion übernehmen.
Möglich machen kann das nach bisheriger Erkenntnis aber nur ein permanenter Zugang zum Internet über das Stromkabel und zwar zum Festpreis - eben das, was Powerline bereits jetzt darstellt.
Die theoretischen Möglichkeiten im Bereich der Digitaltechnik sind in der Tat so verlockend, dass zu erwarten ist, dass die Umsetzung in den nächsten Jahren auf dem Fuß folgen wird.

Die Frage ist nur: zu spät für Powerline und RWE?

(ac/tom) Diskussion