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ISBN 3-379-00174-0
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Das Kamasutra

Nur eine ganz normale Buchvorstellung?

Das Kamasutra ist den meisten Menschen ein Begriff. Um so überraschender ist es, dass es kaum jemand wirklich gelesen hat. Ich möchte hier nicht viel zum eigentlichen Inhalt sagen. Das Buch ist als Reclam-Ausgabe im Fachhandel für wenig Geld erhältlich und daher sollten sie sich die Freude gönnen, es selbst zu lesen.

Ich will stattdessen versuchen, mit einigen Missverständnissen bezüglich dieses Lehrbuches aufzuräumen und ein paar Worte zu seiner Geschichte verlieren.

Das alte Indien...

Bereits 2000 Jahre vor Christus wurde in Indien eine Hymnensammlung geschrieben, in der die Liebe mehrfach verehrt und ihre Vorzüge gepriesen wurden - das Rgveda. Kama, die Liebe, galt als der erste Samen des Geistes.

Das erste und wichtigste uns noch erhaltene Werk über die Liebe aus dem alten Indien stammt allerdings erst aus dem 3. Jahrhundert unserer Zeit - das Kamasutra. Sutra ist dabei das indische Wort für "Lehre". Der Autor war Mallanaga Vatsyayana. Über ihn selbst ist allerdings nur bekannt, dass er vermutlich an der Westküste lebte. Das geschichtlich überraschende am Kamasutra ist der so genannte "Sutra"-Stil, der im Wesentlichen dem Aufbau heutiger Lehrbücher entspricht und in dieser Zeit in Indien aufkam.

Nach indischer Vorstellung dient das Leben des Menschen dem erreichen 3 verschiedener Ziele, der "Trivarga". Dem Streben nach dem Guten (Dharma: geistige und spirituelle Erleuchtung) dem Streben nach dem Nützlichen (Artha: erlangen von weltlichem Wissen und materiellem Besitz) und der Suche nach dem Angenehmen - der Liebe (Kama). Für jedes dieser Ziele gab es eine Reihe von unterschiedlichen Lehrbüchern. Am häufigsten werden die 3 Hauptwerke zitiert: das Manara-Dharmasastra, Kantiliya Arthasastra und das Kamasutra.

...das perfekte Paar

Nach einer altindischen Überlieferung, die auf eine Zeit weit vor Christigeburt zurückgeht, wurde die Theorie der Liebeskunst von den Göttern Braham und Prajpati verkündet. Der Sage nach waren diese zwei das perfekte Paar. Verbunden in immerwährender Liebe schufen sie gemeinsam ein sagenumwobenes Buch, dass angeblich allein eine gewaltige Bibliothek füllte und in mehr als 10000 Kapiteln den Weg zum vollkommenen Glück für jeden Menschen vom ersten Tag der Geburt bis zum Tod beschreibt.

Das Kamasutra selbst begreift sich sozusagen als eine Zusammenfassung einer Zusammenfassung eines Auszuges dieser Bibliothek. Viele Autoren beziehen sich immer wieder auf dieses Buch, oder auf Bücher, die sich ihrerseits als Auszüge oder Zusammenfassungen verstehen. Keines dieser älteren Werke ist uns jedoch erhalten. Die Existenz des Buches selbst konnte bisher nie bewiesen oder widerlegt werden. Noch, das einer der Autoren jemals dieses Buch oder ein Stück davon in den Händen hielt.

Das Kamasutra

...besteht aus 1250 Lehren (Satra) in 36 Kapiteln, die wiederum in 7 Hauptteile geordnet sind. Das Werk beginnt mit einer Inhaltsübersicht. Dieser folgen eine Art Vorwort und Hinweise zu allgemeinen Fragen. Danach folgen 5 weitere thematisch geordnete Teile mit den wichtigsten Satra. Am Ende findet sich eine Art "Tipps und Tricks" -Sammlung. Einige dieser so genannten "Geheimmittel" erleben momentan ihre Renaissance - wie zum Beispiel Henna.

Der Aufbau eines Kapitels ist stets wie folgt: Definitionen, Sätze, Beispiele und eine Zusammenfassung in ein oder zwei gereimten Merksätzen.

Dieses Buch ist KEIN erotisches Lehrbuch, sondern der altindische "Knigge" für alle Junggesellen und Verliebten. Es wurde bewusst für Jugendliche geschrieben. Wer sich also hier bunte Bilder oder Hilfe bei der Stellungswahl erwartet, den muss ich enttäuschen. Dieses Vorurteil rührt für gewöhnlich daher, dass statt des eigentlichen Kamasutra häufig indische Mantras oder andere sexuelle Handbücher in Verbindung mit diesem Namen gebracht und auch immer wieder - sogar in den großen Medien - vorgezeigt werden.

Das Kamasutra ordnet die Bedeutung der Liebe innerhalb altindischer Wertvorstellungen als Bestandteil des Lebens ein und lehrt, wie Mann und Frau mit ihren Gefühlen, Ängsten und Bedürfnissen umgehen sollten. Die 5 Hauptteile beziehen sich unter anderem auf das Thema der Sexualität, Ehe, die Rolle der Ehefrau, das Verhalten des Mannes gegenüber anderen Frauen und die Prostitution. Liebesdienerinnen wurden im alten Indien - anders als heute - überall verehrt und geschätzt. Ihre Arbeit wurde als Kunst aufgefasst und ihr Dienst als eine Art Lehre begriffen. Es war eine lange Ausbildung nötig, bevor diese Tätigkeit ausgeübt wurde. Sie hatten somit durchaus ihren angesehenen Platz innerhalb der Gesellschaft.

Hinweise

Lesen sie dieses Buch aus Interesse an der Geschichte der Liebe. Nicht aus erotischen Erwartungen heraus - sie würden dabei ziemlich enttäuscht. Es ist ein Lehrbuch aus einer längst vergangenen Zeit. Nicht alles davon ist heute noch gültig - einiges mag skurril oder sogar chauvinistisch klingen.

Lesen sie dieses Buch mit den Augen eines Liebenden - zur Unterhaltung - am besten mit ihrem Partner. Schließlich wurde es aus Liebe geschrieben.

(ac/tom) Diskussion