weitere Artikel zu Powerline:
  1. Herbst 2000
  2. Frühjahr 2001
  3. November 2001
  4. Januar 2002

Powerline

Powerline - dieser Begriff verzaubert Internetuser in Deutschland und beflügelt die Kundenfantasie... RWE stellte auf der Cebit 2001 ein marktreifes Muster der neuen Technologie vor und All-Community.de war vor Ort, um sich die neue Technik für sie erklären zu lassen und Hintergrundfragen zu stellen.

Wie funktioniert es? In ihrer Stromleitung fließen neben Strom mit 220 V Wechselspannung auch Daten - in einem Frequenzbereich jenseits des normalen Hausstroms. Diese Daten werden über ein spezielles Modem isoliert und die Informationen ganz normal an den Rechner übertragen . Dabei stehen ihnen max. 2 MBit/s an Bandbreite zur Verfügung.

Kosten

Im März hieß es noch, Powerline wird neben dem Preis für das Modem, der sich laut RWE auf ca. 200 DM belaufen sollte, pro Monat je nach Anbieter mindestens 50 DM Grundgebühr verschlingen. Hinzu kommen ca. 6 Pf pro Megabyte Datenvolumen. Konkurrenz soll dieses Angebot laut Auskunft der freundlichen Servicemitarbeiterin vor Ort vor allem T-DSL machen ...
Inzwischen ist das Geschichte. Dem Preisdruck von Seiten anderer Anbieter wurde nachgegeben. Billiger als DSL ist Powerline jedoch derzeit nicht.

Verfügbarkeit

Damit die Daten ins Stromnetz gelangen, müssen die örtlichen Stadtwerke diese erst via Uplink zum Netz über ein entsprechendes Gerät einspeisen. Das ist der Knackpunkt. RWE will diese Technik NUR den eigenen Partnern kostenlos zur Verfügung stellen. Alle Netzbetreiber, an denen RWE nicht beteiligt ist, müssen diese Technik von RWE kaufen.

Damit bleibt Powerline nur einigen wenigen Kunden vorbehalten, denn die meisten anderen Netzbetreiber haben RWE bereits eine Absage erteilt.

Zukunftsaussichten

Es sieht düster aus... Powerline präsentiert sich als eine All-in-one Lösung, die es noch nicht gibt. Denn die Endgeräte dazu existieren (noch) nicht. Aber die Hersteller von Haushalts- und Unterhaltungselektronik, die RWE mit ins Boot holen wollte haben inzwischen kein Interesse mehr und sich zum Teil (wahrscheinlich auch angesichts der angespannten Wirtschaftslage) von der investitionsintensiven Risikoquelle getrennt.

Powerline wäre ideal für einen "Hauscomputer", der alle ans Stromnetz angeschlossenen (entsprechend ausgerüsteten) Geräte wie Fernseher, Uhren, Radios, bis hin zum Kühlschrank und der Waschmaschine ohne Zusatzkosten zu einer multimedialen Plattform machen könnte. Allerdings kommt das Angebot 10 Jahre zu früh, denn bisher gibt es das PC-gestützte Haus nur auf dem Reißbrett. Die Entwicklung der Endgeräte wird also Geld kosten. Geld, dass die Hersteller derzeit nicht ausgeben wollen und das RWE allein nicht hat.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie zukunftssicher das Stromkabel als Datenverbindung überhaupt ist. Anders ausgedrückt, wie viel höher der Datendurchsatz in Zukunft noch werden könnte über ein Kabel, dass nie für den Transfer solcher Daten konzipiert wurde.

Kommentar

Ich weiß, ich bin ein alter Miesmacher... Aber wenn ich ehrlich bin: überzeugend war sie nicht, die Vorstellung von Powerline auf der Cebit. Weder konnte RWE einen Partner für die Produktion der Modems präsentieren, noch konnte man mir den Namen auch nur eines einzigen Betreibers nennen, der Powerline anbieten sollte. Die Verhandlungen mit den Stadtwerken scheinen bislang wenig konstruktiv. Alle Hoffnungen, Powerline würde eine Alternative für den Normalkunden werden, sind durch diesen Besuch zerschlagen worden, denn man hat nicht vor, der eigenen Unternehmenstochter Mobilcom (Freenet) Konkurrenz zu machen.

Preise

Die Preise, die mir auf der Cebit genannt wurden waren gegenüber der Konkurrenz unhaltbar. Angeblich zahlen sie mit dieser "fairen" Abrechnung nach Datenaufkommen und nicht nach Surfzeit nur für das, was sie tatsächlich verbrauchen. Eine Milchmädchenrechnung: denn bereits bei der Einwahl sendet der Rechner Daten an den Server und auch wenn sie gar nichts tun, werden ständig Daten zwischen ihnen und ihrem Provider übertragen, um zu zeigen, dass sie noch "alive" (also online) sind. Wer vollständig ausgerüstet (ICQ, Mailprogramme, etc.) ins Netz geht, kommt allein durch dieses Datenvolumen schnell auf 1-2 Pfennige pro Minute und sobald die erste Webseite sich öffnet, wird es richtig teuer.

Das RWE inzwischen (Herbst 2001) auf dem Preisniveau von T-DSL angekommen ist, hilft nicht viel. Wieso auf eine weitgehend unbekannte Technik setzen, wenn die sichere Alternative eines bekannten Internetanbieters (RWE ist im Internetsektor schließlich kein Markenname) ähnlich preiswert ist?

Die Kosten für den Anbieter selbst dürften erschreckend hoch sein... einmal abgesehen von den Entwicklungskosten, die bei DSL nie zu Buche schlugen, weil die Technik in den USA eingekauft wurde, müssen die Daten nicht nur aus und ins Stromnetz, sondern auch wieder in und aus dem Telefonnetz, denn ohne geht es nicht... für die Durchleitung der Daten dürfte der Anbieter also mindestens 2 Mal zur Kasse gebeten werden. Es bleibt eine Vermutung, aber Powerline dürfte damit derzeit weniger lukrativ sein als DSL.

Geschwindigkeit

2 MBit/s sind Traumwerte oder? Und sie werden es bleiben, denn damit sie diese Geschwindigkeit erreichen, müsste ihr Zielrechner direkt via Stromkabel erreichbar sein. In dem Moment, wo ihr Signal aber wieder ins normale Netz kommt, surfen sie trotz Breitband nur so schnell, wie der langsamste Abschnitt ihrer Verbindung... das heißt: ihr Zielserver muss selbst einen Breitbandanschluss haben und nicht nur dieser, sondern auch alle Server, die ihre Daten auf dem Weg dabei passieren. Das funktioniert innerhalb Deutschlands und bei großen Anbietern meist zwar gut, ist aber bei anderen Webseiten gerade in den USA auch oft eben nicht der Fall.

Fazit

Powerline ist keine Alternative zu DSL und im Vergleich zu ISDN oder analogen Anbietern zu teuer. Wenn in 10 oder 20 Jahren in jedem Haushalt entsprechende Endgeräte vorhanden sein sollten, könnte Powerline (dann sicher nicht mehr als schnellste Verbindung ins Netz) Internetanwendungen in den Haushalt bringen. Bis dahin ist es fraglich, ob man sich eine teure, in den Kinderschuhen steckende Technologie ins Haus holen sollte, deren Zukunft obendrein ungewiss ist.

(ac/tom) Diskussion